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Buyer Personas: Ein umfassender Leitfaden

Buyer Personas: Ein umfassender Leitfaden

Was sind Buyer Personas?

Buyer Personas sind semifiktionale Darstellungen Ihrer idealen Kund:innen. Soweit so unklar.

Stellen Sie es sich so vor: Sie erfinden eine Figur, ähnlich wie in einem Roman oder Film, indem Sie die charakteristischen Eigenschaften für Ihre Wunsch-Kund:innen herausfinden. Wie Sie das machen? Mit Recherche, Marktforschung, Echtdaten aus z.B. CRM oder Social Media und dazu einige Hypothesen, sprich Educated Guesses.

Definition: Buyer Personas sind Archetypen einer Subzielgruppe.

Wieso Subzielgruppe? Eine Zielgruppe besteht in der Regel aus mehreren unterschiedlichen Personas. Es ist sehr selten, dass ein Unternehmen eine so homogene Zielgruppe hat, dass nur eine Buyer Persona das gesamte Potential abdeckt.

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Das erwartet Sie in diesem Artikel:

 

B2B Buyer Persona Workbook Download

 

Woher stammt das Buyer Persona Modell?

1983 wurde die erste (sagen wir einmal protokollierte) Buyer Persona erdacht. Ihr Name war Kathi. Alan Cooper war damals mit der Konzeption einer neuen Software (ein Projektmanagement Tool) beschäftigt und grübelte, wie er dieses Tool ideal zur Welt bringen könnte.

Um eine Lösung zu kreieren, die den K2 als kleinen Hügel im Weinviertel dastehen lässt, führte Alan Interviews mit Kolleg:innen, die sich auch perfekt als tatsächliche Kund:innen für das zu programmierende Projektmanagement Tool eignen würden. Die Ergebnisse fasste er dann zusammen und hatte quasi die erste dokumentierte Persona erstellt.

Natürlich nannte er sie damals noch nicht Persona oder Buyer Persona. Auch in seinem 1999 erschienenem Buch "The Inmates Are Running the Asylum: Why High Tech Products Drive Us Crazy and How to Restore the Sanity" verwendete er diesen Begriff noch nicht.

Heute beschäftigen sich Unternehmen weltweit mit der Erstellung von Personas für ihre Produkte und Dienstleistungen. Und das hat einen guten Grund.

 

Wozu werden Buyer Personas verwendet?

Haben Sie schon einmal die Sätze "das spricht mich total an" oder "das passt zu mir wie haarige Moonboots zu Hansi Hinterseer" gehört oder gesagt? Genau diesen Effekt wollen Unternehmen bei Ihren Kund:innen erzielen.

Stellen Sie sich folgendes vor: Sie sind vielleicht keine gute Heimwerker:in. Oder lassen Sie es mich anders formulieren: Wenn Sie ans Heimwerken denken, haben Sie ein Bild von brennenden Häusern oder blau geschlagenen Gliedmaßen im Kopf. Trotzdem benötigen Sie ab und an Werkzeug, wenn Sie nicht für jeden Handgriff eine Professionist:in engagieren wollen.

 

FALSCH: "People want to buy a quarter-inch drill. It is not my business what they do with it."

 

In diesem Fall macht es keinen Sinn Ihnen in der Werbung die Eigenschaften und damit verbundenen Vorteile eines Produkts, wie eines Bohrers, zu präsentieren. 2.700 Umdrehungen pro Sekunde? Doppelschlagbohrung? Keine Ahnung. Denn eigentlich wollen Sie etwas anderes.

 

FALSCH: "People don't want to buy a quarter-inch drill. They want a quarter-inch hole."

 

Das Beispiel mit dem Bohrer ist natürlich nicht zufällig gewählt. Jede Person, die ein paar Stunden in einer Marketingvorlesung einer Universität oder Fachhochschule verbracht, kennt dieses Zitat.

Der leider 2006 verstorbene Theodore Levitt, Professor an der Harvard Business School, postulierte damals (frei ins Deutsche übersetzt) "Menschen wollen keinen Bohrer kaufen. Sie wollen ein Loch in ihrer Wand" und traf damit ins Schwarze und auch wieder nicht. Denn wer kauft sich schon einen Bohrer, um ein Loch in der Wand zu haben?

 

RICHTIG: "People don´t want to buy a quarter-inch drill. They want to hang up a picture."

 

Was die Menschen wirklich wollen ist die Befriedigung eines Bedürfnisses, die Lösung für ein Problem, oder Unterstützung, um eine Chance zu ergreifen. Clayton M. Christensen, ebenfalls Professor an der Harvard Business School, formulierte daher Jahre später die "Jobs to be done" Methode, deren Kernaussage ist, dass Personen ein Unternehmen, Produkt oder Service engagieren, um Ihre Anliegen zu erledigen oder erledigen zu lassen.

Und um genau diese Motivation herauszufinden, werden Buyer Personas genutzt.

 

Vorteile durch die Verwendung von Buyer Personas

Genug der theoretischen Einleitung. Reden wir über die glitzernden Einhörner, die Sie durch die Verwendung von Buyer Personas ausfindig machen können. Immerhin haben wir alle mehr als genug in unserem Tagesgeschäft zu erledigen, als Buyer Personas einfach als "Fleißaufgabe" zu erstellen und dann in finsteren Schubladen verstauben zu lassen. Los geht’s:

  1. Durch die Definition von Buyer Personas wissen Sie genau wen Sie erreichen möchten.

  2. Buyer Personas verraten Ihnen, welche Informationen diese von Ihnen benötigen.

  3. Sie können ableiten, wo und wann Ihre potentiellen Kund:innen angesprochen werden möchten.

 

Diese drei Aussagen bilden den Kern, den alle Buyer Personas - gleich ob B2B oder B2C - Ihnen verraten. Wenn Sie aber wirklich genau hinsehen, können Sie noch mehr ableiten:

  1. Sie stimmen Content gezielt auf Ihre Buyer Personas ab.

  2. Ihre Kampagnen liefern dadurch wesentlich bessere Ergebnisse.

  3. Sie ziehen genau jene Leads an, die Sie auch wirklich ansprechen möchten.

  4. Sie grenzen sich deutlich von Wettbewerbern ab, da Sie sehr wahrscheinlich andere Aspekte ansprechen oder abdecken.

  5. Marketing & Sales haben dieselbe Vorstellung Ihrer idealen Kund:in.

  6. Sie können all Ihre Maßnahmen zielsicher entlang der Buyers Journey einer jeden Buyer Persona ausrichten.

 

Unterschiede zwischen B2B und B2C Buyer Personas

So wie nicht jeder Stein im Biotop meines Nachbarn dem anderen gleicht, unterscheiden sich auch Buyer Personas. Je nach Branche können die Unterschiede gravierend sogar sein. Das liegt allem voran an den grundlegenden Unterschieden im Entscheidungsprozess.

Während im B2C Bereich die Emotion im Vordergrund steht und die meisten anderen Aspekte überschattet werden, wird im B2B Bereich anders entschieden. Darüber hinaus kommen im B2B fast immer noch Buying Center dazu, aber dazu später.

Aber natürlich spielt die Emotion auch im B2B Bereich eine wesentliche Rolle. Dennoch gibt es viele weitere Faktoren und auch nicht jedes Thema ist für eine B2B Kund:in von emotionaler Relevanz (denken Sie an den Kauf von Bleistiften).

Im Umkehrschluss ist vermutlich der Jobtitel einer B2C Persona für den Verkauf von Katzenfutter völlig irrelevant.

 

Was bringen Buyer Persona Templates?

Das bringt uns zu einem weiteren Thema. Templates.

Eines lässt sich definitiv sagen: Das Suchvolumen zu diesem Thema hat sich von ca. 150 Suchanfragen pro Monat in Österreich im Jänner 2018 auf ca. 300 Suchanfragen pro Monat im Jänner 2019 verdoppelt und stieg bis Ende 2019 um fast das Doppelte weiter an. Verrückt.

Suchvolumen Buyer Persona TemplateQuelle: Google.com

Das Interesse an Buyer Persona Templates nimmt zu. Uns bereitet das ein unangenehm nervöses Zucken in der linken, kleinen Zehe. Warum?

Adele Revella, Gründerin & CEO des Buyer Persona Instituts, schrieb bereits in Ihrem 2015 erschienen Buch Buyer Personas, dass für viele Marketer das demografische Profil Anfang und Ende Ihrer Buyer Personas sind, sich jedoch ein viel größerer Nutzen erzielen ließe, wenn Sie die Geschichte über den Entscheidungsprozess Ihrer KundInnen berücksichtigen würden.

Wir finden, das wäre mal ein Spitzen Kalenderspruch.

 

Bitte lassen Sie die Finger von Buyer Persona Templates!

 

Das beste Buyer Persona Template der Welt kann nur so gut sein, wie die Fragestellungen, die jemand dort hineingequetscht hat. Warum? Es muss für Ihr eigenes Unternehmen nicht unbedingt relevant sein ob "Tom, 49, einen Hund hat, in seiner Freizeit gerne golft und mit dem BMW zur Arbeit fährt". Schon gar nicht, wenn Sie im B2B Marketing eines Anlagenbauers tätig sind.

 

Was eine gute Buyer Persona ausmacht

Eine gute Buyer Persona beantwortet Ihre zentralen Fragen zu einer Buyer Persona. Damit gibt sie Ihnen die Möglichkeit, weitere Maßnahmen - wie etwa die Buyers Journey, Content Marketing oder auch alle Lead Generation Maßnahmen - aus dieser abzuleiten. Aber was sind diese Fragen?

Wir haben lange gebrütet und - um ehrlich zu sein - unser Modell im Laufe der Jahre auch immer wieder überarbeitet und verbessert. Das bedeutet zwar nicht, dass wir in Zukunft nicht noch weitere Optimierungen an unserer Methode vornehmen, aber so ist das eben mit der Evolution, oder nicht?

Das sollten Sie jedenfalls über Ihre Buyer Personas wissen:

  • Für welches Produkt / Service wird die Buyer Persona erstellt und wie steht diese dazu?
  • In welchem Unternehmen findet man Ihre Buyer Persona?
  • Wie werden Entscheidungen in diesem Unternehmen getroffen und inwieweit ist Ihre Buyer Persona an der Entscheidungsfindung beteiligt?
  • In welcher Abteilung arbeitet Ihre Persona und was sind die zentralen Aufgaben der Abteilung?
  • Womit beschäftigt sich Ihre Buyer Persona in Ihrer Arbeit regulär und welche von Ihnen lösbare Ansätze gibt es?
  • Welche besonderen Herausforderungen steht die Buyer Persona neben ihrer Regeltätigkeit gegenüber und wie können Sie dabei helfen?
  • Welchen beruflich bzw. privat relevanten Hintergrund hat die Buyer Persona?
  • Wie sieht der für Sie relevante Kernprozess der Buyer Persona aus und welche Herausforderungen bringt dieser mit?

 

Methoden zur Buyer Persona Entwicklung

Wenn also Buyer Persona Templates - trotz ihrer zunehmenden Beliebtheit - nicht zum gewünschten Ergebnis führen: Wie kommen Sie dann zu Ihren Buyer Personas?

Wir haben im Laufe der Zeit unseren eigenen Methodenkoffer entwickelt, um für unterschiedliche Eventualitäten in der Erstellung von Buyer Personas für B2B aber auch B2C gerüstet zu sein. Diese möchte ich Ihnen gerne vorstellen.

 

Das Business Model Canvas

Eine Methode aus der strategischen Unternehmensberatung

Der erste Schritt ist, zu verstehen wie das Unternehmen für die jeweiligen Buyer Personas tickt. Das Business Model Canvas beleuchtet unterschiedliche Aspekte des Unternehmens, wie z.B. das Nutzenversprechen, Kund:Innen oder auch den Zielmarkt.

Nicht alle Aspekte sind für die Erstellung von Buyer Personas relevant und können daher auch durch andere Metriken ersetzt werden, jedoch bietet es eine sehr gute Möglichkeit aus der Vogelperspektive heraus in die Buyer Persona Entwicklung einzutauchen.

 

Jobs to be done Methode

Eine Methode aus der Motivforschung

Die Methode dient dazu, zu erkennen, was die jeweiligen Zielkund:innen - also Buyer Personas - eigentlich wirklich wollen. Dabei stellen sich einige essentielle Fragen:

  • Situation: Welche Situation triggert ein bestimmtes Bedürfnis (einen Job) der erledigt werden muss?

  • Motivation: Was möchte die potentielle Kund:in eigentlich tun?

  • Outcome: Warum will die Kund:in das tun? Was ist das erwartete Ziel (funktionaler Job)?

  • Emotionaler Job: Wie fühlt sich die Kund:in, wenn der Job erledigt ist?

  • Sozialer Job: Wie werden andere die Kund:in wahrnehmen, wenn der Job erledigt ist?

Die Quintessenz dieser Methode ist einfach: Eine Kund:in wird sich immer für das Produkt entscheiden, das das jeweilige Bedürfnis (Job) am besten befriedigt. 

 

Buyer Profiles

Rahmendefinition einer Buyer Persona

Während Buyer Personas die "echten Menschen" darstellen, beschreiben Buyer Profiles die Rahmenbedingungen. Also den größeren Kontext. Je nach Anwendungsfall können soziodemografische Daten, aber auch andere Informationen einfließen.

Im B2B Bereich können z.B. Abgrenzungen wie Größe, Umsatz, Branche oder Land eines Unternehmens, eine wesentliche Rolle zur Schärfung des Bildes beitragen.

Im B2C Bereich spielen eventuell Faktoren wie Geschlecht, Alter, Region oder auch Haushaltseinkommen, eine wesentliche Rolle.

Diese Definition gibt quasi die Rahmenbedingungen für Ihre Buyer Persona Erstellung vor. Stellt sich etwa heraus, dass mittlere und größere Unternehmen in Ihr Zielsegment fallen, kann es auch sein, dass letztlich zwei Personas entwickelt werden sollten.

 

Qualitative & quantitative Anreicherung

Eine Methode für etablierte Unternehmen

Haben Sie bereits eine vorhandene Datenlage? Sehr gut. Nichts ist besser geeignet zur Anreicherung von Buyer Personas, als die Auswertung von bereits vorliegenden Daten. Diese sind - bis auf den self-fullfilling-prophecy-Effekt - auch die zuverlässigste Ausgangsbasis.

Nutzen Sie Ihr CRM oder Kund:innendatenbank, um Gemeinsamkeiten und Segmente zu identifizieren. Achten Sie dabei darauf, dass sich keine Scheinkorrelationen in Ihre Ausarbeitung einschleusen.

Neben Ihrem CRM, können Sie auch Ihre Top-Kund:innen befragen. Warum sind diese Ihre Kund:innen geworden? Wie ist die Reise verlaufen, bevor sie dazu wurden? Was war der Anlassfall, aus dem Sie zu Ihnen gekommen sind? Erstellen Sie ein passendes Fragenset und recherchieren Sie.

Wollen oder können Sie Ihre Kund:innen nicht befragen und steht Ihnen auch die Infrastruktur für eine Auswertung Ihrer Daten nicht zur Verfügung, können Sie immer noch Ihr Sales Team befragen. Wie würde eine Top-Verkäufer:in ihre Wunschkund:in beschreiben? Welche Fragen würde diese stellen? Was würde diese schon im Vorfeld recherchiert haben?

Sales zu befragen macht in jedem Fall Sinn. Immerhin ist sonst kaum jemand in so engem Kontakt mit echten Kund:innen Ihres Unternehmens.

 

Die Diversity Map

Eine Methode aus dem Diversity Management

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Wie kommen Sie nun also zu den Fragen und Aspekten, die Sie sinnvollerweise für die Erstellung von Buyer Personas benötigen?

Die Antwort darauf ist die Diversity Map. Konzipiert, um alle Aspekte eines Individuums aufzulisten, können Sie diese einfach Punkt für Punkt durchgehen und überlegen, ob ein Aspekt für Sie relevant ist oder nicht.

 

Weitere Methoden aus unterschiedlichen Disziplinen

Je nach Unternehmen können weitere Methoden hilfreich sein

Hier muss natürlich nicht Schluss sein. Sie können - wenn sinnvoll - Ihre Buyer Persona auch mit weiteren Informationen anreichern. Einige zusätzliche Methoden, möchte ich Ihnen noch vorstellen.

Sinus Milieus: Das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Integral, bietet eine Einteilung in Interessen- und Weltanschauungsgemeinschaften an: die sogenannten Sinus Milieus. Auch wenn das in erster Linie für B2C interessant zu sein scheint, hatten wir auch schon im B2B Bereich Anwendungsfälle, wo eine Anreicherung durchaus sinnvoll war.

Projektumfeldanalyse: Die aus dem Projektmanagement stammende Projektumfeldanalyse (PUA), hilft Projektmanager:Innen bei der Planung eines Projekts, um alle relevanten Stakeholder zu identifizieren. Haben Sie es z.B. mit Buying Centers mit vielen unterschiedlichen Personen zu tun, macht eine Vorabdefinition der relevanten Buyer Personas eines Buying Centers durchaus Sinn.

 

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Geschrieben von Michael Vaclav

Michael Vaclav ist Senior Consultant Marketing & Sales Automation bei brandREACH und für die Beratung von Kund:innen hinsichtlich der Einführung & Optimierung von Marketing Automation zuständig. Darüber hinaus ist er Unterrichtender & Vortragender an Universitäten, Fachhochschulen und Fachkonferenzen zum Thema Marketing Automation. Seit 2021 leitet er im Rahmen seiner Tätigkeit als DMVÖ Vorstandsmitglied die Expert Group Marketing Automation.